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Jugendirrsinn und Altersdemenz
"Foyer" von Wolfgang Bauer gerät zur primitivsten Witzelei


Graz -  Dies gehört zu den Traditionen des Avantgarde-Festivals: Alle heiligen Zeiten bringt der "steirische herbst" ein Auftragswerk des 1941 geborenen Grazer Dramatikers Wolfgang Bauer auf die Bühne. Die Bauer-Uraufführung ist dann die jeweils aufwendigste, prominenteste Produktion, eine Art Eröffnungspremiere.

Mit Fug und Recht hat Bauer seinen unverrückbaren Platz in der Literaturgeschichte. "Magic Afternoon", "Change", "Party for Six", "Gespenster" und "Silvester oder Das Massaker im Hotel Sacher", allesamt in den späten Sechziger- und frühen Siebzigerjahren entstanden, wurden einst Publikumsrenner, sie waren dramatischer Spiegel und Zerrspiegel der Epoche. Das ist lange her. Was danach kam, wirkte des öfteren betrüblich dürftig, bis hin zum Desaster "Herr Faust spielt Roulette", 1986 am Wiener Akademietheater.

Das neueste Werk, "Foyer", wird in der Grazer Helmut-List-Halle auf einer Breitwandbühne von dem für seinen schrägen, trashigen Humor allseits geschätzten Ensemble "Theater im Bahnhof" (TiB) gezeigt. Der Grundeinfall klingt, wie meist bei Bauer, nicht übel: Ein Dramatiker, Dr. Charlie Dodler, dringt bei der Uraufführung seines autobiographischen Stücks "Mein tolldreistes Leben" nicht in den Saal vor.

Seine Frau hat mehr Glück, zumal da sie - in einer unfreiwilligen Leihgabe von Edward Albee - aufregenden Geschlechtsverkehr mit einem Ziegenbock haben darf. Dafür kommt Dr. Dodler in den Genuß einer Ego-Transplantation. Irgendwie verwandelt er sich in George W. Bush, in dessen Schädel naturgemäß keine kleinen grauen Zellen stecken. Macht nichts, denn Dodler hat an Stelle des Gehirns auch nur seinen Blinddarm. Am Schluß erschießt er alle.

Um es deutlich zu sagen: Wolfgang Bauer ist seinen abstrusen Ideen intellektuell und künstlerisch nicht gewachsen. Das Geschehen bewegt sich auf dem schmalen Grat zwischen Jugendirrsinn und Altersdemenz. Was heller Wahn und reiner Aberwitz sein könnte, sein müßte, gerät hier zu ödesten, primitivsten Witzeleien, über die niemand zu lachen vermag.

Kaum minder erschüttert die zutiefst provinzielle Stadttheaterbiederkeit, mit der das TiB dieses Opus pompös zelebriert. Ein Vorschlag zur Güte. Der "steirische herbst" betreibt weiterhin lokalpatriotische Traditionspflege und gibt Wolfgang Bauer eine anständige Abschlagszahlung auf künftige Auftragsarbeiten - unter der Bedingung, keine mehr aufführen zu müssen. Damit wäre dem Ruf Bauers und des Festivals und nicht zuletzt auch uns gedient.

Ulrich Weinzierl

erschienen in:
Die Welt, 12. 10. 2004