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Sterilisiertes Junk-Food für die Ganglien
Kopftheater ist das Metier von Kathrin Röggla. Gut so. Aber ihr „herbst“-Stück „junk space“ lahmt auf dem Weg vom Kopf auf die Bühne


Eine nette Nebenerscheinungen des „steirischen herbstes“ besteht darin, immer wieder alte Bekannte zu treffen. Vor allem im Foyer. Wenige Minuten nach Beginn von „junk space“, einem Auftragswerk des „steirischen herbstes“, realisiert in Koproduktion mit dem Züricher Theater am Neumarkt im Grazer Kristallwerk, drängte sich eine ähnliche Begrüßungsformel in den Sinn. So unter dem Motto „Hallo! Dich gibt’s ja auch noch.“ – Sie gilt aber der Aufführung.

Umsetzung. Dies liegt keineswegs am Stücktext, sondern an der Umsetzung. Die erinnert an einstens „radikale“ Ausdrucksformen, schlag nach bei „Versuchsanordnung“ oder „Gefühlslabor“, deren Aussagekraft längst auf ein Minimum geschrumpft ist.

Alarm. Sprechkörper sind es, die Regisseurin Tina Lanik auf die Bühne stellt, statische Figuren, die alsbald auch die Zonen der Sprechoper streifen; konsequent reden sie aneinander vorbei, ebenso konsequent pressen sie Kopf und Körper an die Wände und harren minutenlang reglos aus. Da trägt die Bedeutung ordentlich ihr Blaulicht: Alarm, psychischer Ausnahmezustand!

Kathrin Röggla stellt sehr durchdachte und zynische Fragen rund um übliche Verdächtigte: Existenzzerstörer, Isolationsauslöser, Konsumterroristen. Diesfalls sind es, als Opfer und Teil-Täter zugleich, sieben Männer und Frauen, scheinbar gut situiert, die, so der Untertitel des Stücks, ein „Trimm-Dich für Angsthasen“ zusammenführt. Offizieller Auslöser ist Flugangst, flankiert rasch von sonstigen Störungen auf der Festplatte, die neu konfiguriert werden will.

Schrott. Bestes geistiges Unterfutter holte sich die Autorin bei Rem Koolhaas und dessen präzisen Analysen über den Schrottraum alias Junk Space, den wir der Nachwelt ebenso hinterlassen wie den Weltraumschrott alias Space Junk. Daraus lassen sich, wie es Röggla auch tat, beklemmende Gleichnisse für Orientierungslosigkeit und Schrottwerdung ableiten. Die Bühne liefert einen idealen, trügerischen Gegen-Kommentar. Ein streng geometrisches Guckkasten-im-Guckkasten-System mit Lochblechwänden, in strahlendem Weiß gehalten, bietet das Ambiente für eine Inszenierung, der es nicht gelingt, in Richtung Theater abzuheben, die nur Junk-Food für die Ganglien bietet. Flutsch und weg, wie das Flugzeuggedröhne aus den Lautsprechern.

Auf hohem Niveau bewegt sich das Neumarkt-Ensemble, herausragend Birgit Stöger, die sich virtuos in ihren sprachlichen Hemmschuhen bewegt.

Werner Krause

erschienen in:
Kleine Zeitung, 02. 11. 2004