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Wolfgang Hofer über Lost Highway
 

Ursprünglich war David Lynchs Film-Projekt unter dem Titel „Night People“ als „noir-horror-film“ intendiert. Nun ist aus diesen Geschöpfen der Nacht eine veritable „21st century noir horror opera“ geworden. Olga Neuwirth gelingt mit Lost Highway nichts Geringeres als die verbindliche Übertragung der Utopie des Films in Musik und Theater. Das rasende Tempo des Movies wird aufgehoben im Sog klingender Erscheinungswelten, die wie ein Maelstrom die Chronik der laufenden Ereignisse mit sich reißen.
Wenngleich, was sich eigentlich ereignet, nicht ganz einfach zu beschreiben ist.
Zur Handlung also:
Zunächst ist da einer, der sich im eigenen Dasein selbst immer fremder wird. Mutmaßungen über das erotische Doppelleben seiner Frau, anonyme Videos, Einbrüche, Investigationen stiften zusätzlich Verwirrung. Plötzlich fällt ihm seine Frau als Leiche ins Haus. Ein Mord, den jeder begangen haben kann. Doch keiner hat’s getan. Auf bloßen Verdacht hin findet sich der Mann unversehens in einer Gefängniszelle wieder. Das Urteil. Warten auf den Tod. Kaum verwunderlich, dass ihm darüber zumute wird, als würde sein Kopf zerspringen. Was am Wendepunkt, der eigentlichen Zäsur des Werks, wirklich passiert. Die Verwandlung. Eine Kopfgeburt.
Ich ist ein anderer. Der andere nicht ich. Doch Mutation ist nicht Metamorphose. Somit die Todeszelle eine Falltür ins Nichts. Die Suche nach dem anderen Dasein bloße Phantasmagorie mit Zeitsprung vorwärts-retour. Der Mann und die Frau als ihre eigenen DoppelgängerInnen in anderen Rollen. Eine Affäre als liaison dangereuse. Atemlos, zwischen Sex and Crime, Pornographie und Prostitution, Ohnmacht und Obsession.
Allein die musikalische Ausfahrt auf den Lost Highway entführt nicht in eine bessere Welt. Dorthin werden nämlich noch keine Pässe ausgestellt. Quer durch die Wüste geht es ins Niemandsland. Am Rand einige Tote. Die doppelte Frau verschwindet im Nichts. Und am Ende dieser unheimlichen Fahrt ohne Fracht ereignet sich abermals eine Verwandlung.
Der erste Mann sieht sich unvermittelt ins Geschehen zurückgeworfen. In der Fremde sogleich in einen Kampf auf Leben und Tod mit Mr. Eddy alias Dick Laurent verwickelt. Dem wird der Mystery Man ein Ende machen, ein mephistophelisch maskiertes Wesen mit dem dritten Auge, der überall ist und nirgends zugleich. Ist dieser schwarzmagisch Geheime der eigentliche Drahtzieher der Geschichte?
Er wird am Ende ebenso spurlos verschwunden sein wie der gesamte Spuk, der sich um Fred Madison alias Pete Dayton, Renee alias Alice ereignet hat. Drei sind abhanden gekommen. Einer steht am Ende der ungeheuren Geschichte allein vor seinem eigenen Haus, ohne angekommen zu sein. Seine Reise in eine ungelebte Vergangenheit bleibt im Bann des Lost Highway. Seine Zukunft: ein Abgrund, eine endlose Flucht.
Der Spreng-Satz, mit dem er zuletzt dorthin aufbricht, lautet: „Dick Laurent is dead.“ Genau damit hat alles angehoben. Der Satz dient thematisch als Klammer aller unwahrscheinlichen Wahrhaftigkeiten. Der ratlose Adressat wird zum Botschafter einer verspukten Depesche. Doch darüber nicht unbedingt klüger. Denn weiter geht die gar nicht fröhliche Fahrt ins Ungewisse zwischen Sein und Schein ...
Geleitet von einer Musik, die, Rahmen setzend auch hier, die melismatischen Depeschen des Anfangs wieder aufnimmt: mit der morbid-düster getönten Aura der ausgedehnten Akkordfolgen in verschattet-verkapptem d-Moll. Don Giovanni ist plötzlich nicht weit. Und: vielleicht scheinen vor diesem Hintergrund auch noch Schemen und Schatten eines anderen Mozart-Vexierspiels um Liebe und Leidenschaft hindurch: ein anderes „Addio“ in Olga Neuwirths musikalischem Spiel mit dem Wüstenwind auf dem Lost Highway – „soave sia il vento“ ...
Dies ist nur eine der vielfältigen Spuren, die Olga Neuwirth in Richtung Lost Highway verlegt hat. Labyrinthisch verschlungene Klangwelten mit einer Sog-Wirkung, die unmittelbar mitnimmt, entführen in geheimere Welten und Abgründe. Es gibt kein Entkommen. Wofür besonders auch ein raffiniert angelegtes Raum-Klang-Konzept mit Live-Elektronik sorgt, dessen Architektonik das Publikum immer wieder umfasst und direkt ins Geschehen involviert. Auch dies ein potentieller Akt der Verwandlung. Wir alle werden durch das Stück vom Betrachter/von der Betrachterin zum möglichen Protagonisten/zur möglichen Protagonistin im unheimlichen Lost Highway-Geschehen.