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Gesucht: Simon Brenner
"Brennermania" im Rahmen des steirischen herbstes: Autor Wolf Haas und sein Detektiv Simon Brenner standen in Graz im Zentrum dreitägiger Betrachtungen.


Jetzt ist schon wieder was passiert. Könnte man meinen, so wie Reiseleiterin Marlene Katzinger aufspringt vorne im Bus: "Da! Da hint. . . nein doch nicht", schreit sie ins Mikrofon. Aber keine Spur von Simon Brenner. Dass er dann wirklich auftaucht, hat keiner der 50 Mitreisenden erwartet. Gebucht wurde nur eine Stadtteilführung.

"Auf Brenners Spuren", stand im Prospekt. Geburtshaus. Schule. Lieblingswirt. Aber dass er plötzlich da steht . . .!? Aber so ist das halt: Krimis werden am Ende gelöst. Da will dann freilich jeder alles gewusst haben. Am Ende müssen die Reisenden nämlich feststellen, dass ihr Trip eine geschickt getarnte Aktion der Polizei war. Die hat mit dem Detektiv noch eine Rechnung offen - und fast hätte die auch beglichen werden können beim Showdown vor der Brauerei Puntigam. Aber Brenner entkommt auf seinem Moped.

Unter der Reiseleitung des Grazer Theaters im Bahnhof (TiB) ging's bei der "Brennermania" im Rahmen des steirischen herbstes durch Graz zur "Letzten Ausfahrt Puntigam". Dort, wo Brenner geboren wurde, liefen die Fäden seines letzten Falles zusammen. Im vergangenen Frühjahr hat Schriftsteller Wolf Haas mit dem Roman "Das ewige Leben" nach sechs Teilen seine Brenner-Krimi-Serie für abgeschlossen erklärt. Seither ist unklar, was aus dem Brenner geworden ist. Für das TiB stellt diese Ungewissheit eine ideale Ausgangsposition dar. Die Verwirrung und das Spiel mit dem doppelten Boden gehören zum Standardinventar der Gruppe. Beides gehört auch zum Repertoire von Haas. Bei der Fahrt durch Vororte, wo Brenner gewohnt, geliebt, gerettet, geschossen und geprügelt hat, gelingt die Verunsicherung perfekt.

Die Liebe zum Detail von Personen, Begebenheiten und Anekdoten aus den Haas'schen Romanen und das Talent, Realität mit Gespieltem verschwimmen zu lassen, prägen die TiB-Ausflugsfahrt. Die Schauspieler verstricken Busfahrt, gespielte Szenen am Straßenrand und Zufälle zu einem lange undurchschaubaren Gewebe. Bald fragt man sich: Ist das Pärchen echt, das auf der Parkbank schmust? Trägt der Wirt im "Murtröpferl", wo eine Pause für eine Heizdecken-Verkaufsaktion genützt wird, auch in echt einen so grauslich grellen Trainingsanzug?

Wie dem Ich-Erzähler bei Haas ist dem ausgezeichneten TiB-Ensemble nichts zu unwichtig. Es gibt Anspielungen ohne Ende. Aber wer könnte denn ahnen, dass das kurz vor Ende alles einen großen Sinn, ja die Lösung des Falles ergibt?! Man hätte es ahnen können. All die scheinbar unwichtigen Abschweifungen des Ich-Erzählers bei Haas sind ja auch voller Bedeutung.

Die TiB-Inszenierung wird der Genialität der Romane gerecht. Das darf man Sensation nennen. Die Prosa von Haas ist so komplex komponiert und in ihrer formalen Struktur so brillant ausgeklügelt, lockt so hinterhältig in die Lesezwang-Falle, dass eine Umwandlung des Geschriebenen ins Gespielte schier unmöglich schien.

Immerhin ist das Werk von Haas ja "ein bleibender Teil der deutschsprachigen Literatur der Jahrtausendwende", erklärt Literaturwissenschafter Moritz Baßler. Haas' Literatur zeige "einen souveränen Umgang mit der Enzyklopädie unserer Gegenwart (sprich: moderne Alltagskultur von Fußball bis Fernsehen, Anm.), ohne sich von der Hochkultur ganz abzukoppeln, und sie kann sich der ernsteren Dinge annehmen, ohne sich deshalb weniger munter zu lesen". Bei Haas passiert auf furiose Weise die Aufhebung von U-Kultur und E-Kultur.

Baßler beteiligte sich neben anderen Haas-Kennern im Rahmen der dreitägigen "Brennermania" an der wissenschaftlichen Aufarbeitung der Haas-Werke. Idee und Konzept zu dieser Brenner/Haas-Spurensuche stammten vom Grazer Literaten Werner Schandor. Ihm gelang eine seltene Mischung: Intellektuelle Kopfarbeit verband sich mit dem Spaß am Zuhören, Zuschauen und Busfahren.

Bernhard Flieher

erschienen in:
Salzburger Nachrichten, 21.10.2003