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Peitsche und Bilderberg
Mit einer Olga- Neuwirth-Rede wurde am Freitag der "steirische herbst" eröffnet. Am Vorabend gab es eine Tanzpremiere.


Gedanken über das Künstler-Sein prägten jene Rede, mit der die Komponistin Olga Neuwirth Freitagabend in der Grazer Oper den "steirischen herbst" eröffnete. Die von Zeit und Politik aufgebaute Stimmung sei so, "dass man den Künstler als auswechselbares Stück Fleisch hernimmt und wieder wegstellt". Diesen vorgeblichen "Taugenichtsen", den Philosophen, Musikern, Dichtern, Architekten, bildenden Künstlern und Erfindern sei aber das zu verdanken, "was wir Zivilisation nennen". Nachsatz von Olga Neuwirth: "Und nicht den Arbeitsamen und ach so Fleißigen."

Irritieren zu dürfen, um ein Nachdenken anzuregen, sei für sie zu wenig: "Widersprüchliches und Zweideutiges muss man zu Tage fördern, damit man unsere Hirne zum Bersten bringt, statt sie petrifizieren zu lassen." In der "Alles ist möglich und tout est mort" betitelten Rede warf Neuwirth der Kulturpolitik vor, nur noch auf die wirtschaftliche Not zu reagieren, sich dem Massengeschmack anzupassen und somit Individualität zu unterdrücken: "Die Peitsche des Marktes schlägt in der Kunst genauso wild zu wie in der Wirtschaft." Ihre Musik könne der brutalen Eindeutigkeit des "gesunden Volksempfindens" nicht entsprechen.

Der freischaffende Künstler werde, so Neuwirth, immer häufiger als Hofnarr behandelt, der so lange agieren dürfe, so lange er alles akzeptiere und die Machtdemonstration der Veranstalter und Auftraggeber nicht störe: "Immer mehr Auftraggeber sichern sich juristisch stärker ab, während der Künstler immer ungeschützter zurückbleibt." Gegen Ende ihrer Rede ging die Komponistin auf das Geschlechterthema ein. Abgesehen davon, dass Frauen immer noch um 40 Prozent weniger Bruttoeinkommen als Männer beziehen, herrsche weiterhin der unausrottbare Glaube, Genie sei männlich, kritisierte Neuwirth.

Einen Tag vor dem Eröffnungsakt startete der "steirische herbst" mit "Insideout", einer choreografischen Installation von Sasha Waltz, sein Programm. In dieser Koproduktion mit der Berliner Schaubühne inszeniert die deutsche Choreografin schlaglichtartig die Lebensgeschichten der Mitglieder ihrer multinationalen Compagnie: ein für das Publikum zu erwandernder Bilderberg in der List-Halle.

Interviews, die der Grazer Wissenschafter und Projektinitiator Karl Stocker mit den Tänzerinnen und Tänzern geführt hat, bilden das Rohmaterial, aus dem Sasha Waltz ihr prall gefülltes Familienalbum entwickelt. Begleitet von der dezenten Musik Rebecca Saunders lustwandelt das Publikum durch die teilweise ineinander übergehenden Räume, in denen das Leben tobt: Schneewittchen-Kuss im Glas-Sarg, elegische Ahnenverehrung, Scheintod und Wiederbelebung in der Kunstschnee-Arktis, traumatische Nachwirkungen eines Verkehrunfalles, sinnliche Paarungstänze, ein geheimnisvoller Anzugmann, traurige Migrationsschicksale, Kommerz-Kritik.

Mikel, Jiri, Lisa & Co: 19 Menschen, Ausschnitte aus 19 Einzelschicksalen türmen sich vor einem auf, wobei jeder Betrachter selbst zum Akteur wird und "sein" eigenes Stück auswählt. Zwischen den an- und abschwellenden Schüben einer kreativen, getanzten Familienaufstellung begegnen sich die Zuschauer wiederholt, betrachten nicht nur das Geschehen, auch sich beim Zusehen: höchstes Voyeursglück. Vieles erscheint geheimnisvoll, irritierend, poetisch, manches banal, vordergründig: ein Versuch über den Menschen eben.

Martin Behr

erschienen in:
Salzburger Nachrichten, 20.09.2003   http://www.salzburg.com/sn/03/09/20/artikel/492016.html