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Der abschweifende Kinderblick im Krimi
Wolf-Haas-Tage beim "steirischen herbst": Brennermania


"Brenner fror": Einen solchen Satz könnte nur ein Epigone schreiben. Obwohl Puntigam am vergangenen Wochenende zu den Wolf- Haas-Tagen im steirischen herbst wirklich saukalt und auch sonst: frage nicht. Franz Schuh war auch dort, fragen Sie den! Bei Haas würde trotzdem nie stehen: "Brenner fror." Zu hochgestochen, obwohl in echten Krimis häufig. Aber sind diese "Brenners" denn überhaupt Krimis?

Die Lektoren von mehr als zwanzig Verlagen, an die Wolf Haas das Manuskript seines ersten Brenner-Romans, Auferstehung der Toten (1996), "unverlangt eingesandt" hatte, fanden offensichtlich: nein – und lehnten ab. Nur der damalige Rowohlt-Lektor Wolfgang Haemmerling bemerkte, dass die Innovation sich hier in der Erzählerstimme abspielt.

Dazu Wolf Haas im Podiumsgespräch über Lektoren mit Werner Schandor: "In die Sprache würde ich mir nicht hineinreden lassen, ich bin ja sonst furchtbar verbindlich, aber beim eigenen Text, da ist die Freiheit." Und: "Der Lektor merkte aber zum Glück immer Handlungsdetails an, die ich vergessen hatte, wie: Wer ist jetzt gleich der Täter? Oder er sagte beim Knochenmann (1997): ,Ruhig noch einen Mord einfügen!‘"

Brenner ist ja jetzt tot, mit dem Graz-2003-Auftragswerk Das ewige Leben in ebendieses eingetreten, "abkratz in Graz" eben. Die Erzählerstimme mit ihren vielen verdrehten Weisheiten aus dem Volk in den Haas-Büchern wird aber weiterleben und neue Bücher schreibend sprechen. Auf welch vielfältige Weise dies bei Haas geschieht, das machte der Experte für Popliteratur, Moritz Baßler (Rostock/Bremen) deutlich: Diese Stimme nimmt das Leser-"Du" immer als seinesgleichen; aus dem "einfachen" Umfeld des Alltagsgeredes erwachsen die vielen Abschweifungen und die Fülle kultureller Randglossen. Wo sonst, fragte Baßler, erfährt man die komplette Fernsehkarriere eines Peter Nidetzky? Oder so viel "abgesunkenes Kulturgut"?

Keine Lexikonbildung (wie sie ein Thomas Mann bevorzugt), sondern "äußerst solides Halbwissen, das sich zum Beispiel fragen traut: spricht man das jetzt Bungalow oder Bangalow aus?" Dabei gehe diese Kunstsprache immer aus von etwas bereits Gefundenem, Formuliertem, aus der Zeitung oder dem Fernsehen.

Haas und Popliteratur

"Die relevante Literatur heute erzählt nach dem Fernsehen, insofern ist Haas zu sehen im Umfeld der Popliteratur." Und auch, so wäre mit der Romanistin Astrid Poier- Bernhard zu ergänzen, der experimentellen, spielerischen Literatur, die, wie die französische "Oulipo"-Gruppe, mit Namen und (Stadt-)Systemen werkt. Deshalb auch die Frage, ob solche auf Sprache beruhenden Bücher überhaupt adäquat zu verfilmen sind.

"Die beste Haas-Verfilmung war heute die Inszenierung des Theaters im Bahnhof, die Fahrt durch Puntigam, teilweise wie Emir Kusturica", meinte der STANDARD-Kulturressortleiter Claus Philipp. Vorstellbar wäre eine Bildsprache, die – wie die in Tagträume abschweifenden Kinder in Wolfgang Murnbergers frühen Filmen – das andauernde Abschweifen der Erzählerstimme übersetzt. Ja, das wäre es. Hier leuchten dann Haas-Sätze wie dieser auf, mitten in Puntigam: "Stundenlang hat er als Kind brütend beim Fenster hinausschauen können."

Richard Reichensperger

erschienen in:
Der Standard, 21.10.2003