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Folterkammern der Kunst
Die von Eva-Maria Stadler kuratierte Ausstellung "Vom Horror der Kunst" im Grazer Kunstverein geht den Bezügen zwischen Kunst und Schrecken nach und entdeckt die Quelle des Horrors letztlich im Auge des Betrachters. Der Täter ist immer der Konsument.


Um die Zeit zwischen Muttertag und Nikolo zumindest dem Ansatz nach zu überbrücken, greifen Schokoladeverarbeiter und Partygag-Erzeuger in Gemeinschaft mit der Kürbislobby gerne auf die amerikanische Lesart heidnischer Geisteraustreibungsritual-Rückstände zurück und versorgen uns dementsprechend mit wirklich schockierenden Herbstauslagen. An ihnen kommt eine profunde Phänomenologie des Schreckens nur schwer vorbei, wird doch vor Plastikspinnen, Totenköpfen oder Geistermasken unmissverständlich deutlich, dass der Schrecken weniger inhaltsgebunden als formal begründet werden muss, weder berechenbar noch haltbar ist und am ehesten sich unfreiwillig einstellt - im Falle der angesprochenen Dekorationen also auf einer der eigentlichen Repräsentation nachgeordneten Ebene zum Erbrechen reizt.

Für eine Ausstellung, die dem Konnex von Horror und Kunst nachspüren will, macht es da wenig Sinn, die gruseligen Angebote kunstvoll zu ergänzen. Ein Geisterbahnensemble wird eben ganz leicht komisch. Dem Horrorgenre gilt es vielmehr form-bzw. strukturanalytisch zu begegnen. Also nennt Eva-Maria Stadler, der es um die Versachlichung des Themas zu tun ist, den von ihr kuratierten Parcours quer durchs Gespenstische nicht etwa "Vom Horror in der Kunst", sondern lässt das "in" im Titel aus: "Die Kunst ist zu sehr selbst Teil des Spiels."

Außer in Markus Schinwalds Video Dictio Pii, das ausrangierte Charaktere in einem Zweisternehotel zu einem gemächlichen Totentanz zusammenschneidet, hält die Beklemmung angesichts des präsentierten Materials nirgends bedrohlich lange an. Andreas Hofers Lackbilder und Collagen arbeiten mit der Überblendung bereits in anderen Kontexten fest verankerter Bilder, zeigen so das Erschreckende in statu nascendi.

Paul Virilios noch an Picasso und den Expressionisten aufgehängte Diagnose, die Kunst habe sich "die Erbarmungslosigkeit der Folterknechte, die Gnadenlosigkeit der Henker zu Eigen gemacht", erfährt in Brock Enrights "Kidnapping Service" ihre Übersteigerung.

Im Brechen vorgefertigter Wahrnehmungsmuster, mit denen man das Gute und das Böse nur allzu eilfertig imaginiert, macht schließlich Jean Faust deutlich, dass auch der "Horror" schlicht im Auge des Betrachters liegt. Jene Schnitttechnik, die in Mainstreamformaten unwiderruflich ins Verderben führt, führt in ihrem Video My Private Satellite nirgendwo hin: Einmal aufgebaute Spannung löst sich stets im gemütlich Lapidaren auf. Ein dahinrasender Hubschrauber stellt sich bald als Modell heraus, ein im Wohnviertel kreuzender Rettungswagen wird im nächsten Cut gewaschen, und auch Verfolgungsjagden enden letztlich ohne Katastrophe. Wer ist der eigentliche Täter, wenn nicht der Konsument?

Ab 7. 11. werden ein Symposium und eine Filmreihe das angerissene Programm ergänzen. Bis 30. 11.

Ulrich Tragatschnig

erschienen in:
Der Standard, 29.10.2003