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Pornohühner im Wahrheitsrausch
Klasse Film wird tolle Oper: "Lost Highway" von Lynch, Neuwirth, Jelinek & Schlömer


Graz -  Chicks on Speed. Sie vögeln und morden. Videobänder mit abstrusen Sexspielen tauchen auf. Zwei Polizisten spielen Blues Brothers. Wände gehen auf und zu, werden transparent. Die Nighthawks von Edward Hopper grüßen aus dem Halbdunkel dieses Irrgartens der Sehnsucht. Die Fahrbahnstreifen einer Straße nach Nirgendwo zucken über die Netzhaut. Auf gläsernen Lichtbahnen fährt man per Liegewägelchen in eine merkwürdige Autowerkstatt. Dazu wimmern E-Gitarren, greint ein Akkordeon, jappst ein Saxophon und röchelt eine Trompete wie Miles Davis auf Acid.
Das gefilterte Klischee. Schon "Lost Highway", David Lynchs enigmatischer Filmklassiker der Neunziger, spielt mit Versatzstücken, bisweilen am Rande der Mystery- und Film-Noir-Parodiegrenze. Patricia Arquette taumelt mal blond, mal brünett und irgendwie scheintot als zweifache Gespielin durch ein Niemandsland aus schmierigen Büros und versifften Schlafzimmern.
Identitäten verwischen sich, McGuffins legen blinde Spuren, die alle nur in die Irre führen. Dazu brennt ein Haus von rückwärts ab und ein augenbrauenloser Mystery Man scheint die Strippen zu ziehen. Der um die Filmgeschichte wissende Zuschauer sucht sich selbst einen Verständnistrampelpfad. Zurück bleibt ein irgendwie steriles, instantangerührtes Gefühl von Unverständnis und Einsamkeit made in America. Die große Künstlichkeit der Wirklichkeit aus dritter Hand, vom sich ewig neu erfindenden Rockmusikprodukt David Bowie singend mit "I'm deranged" kommentiert.
Österreichs rabiatestes Kunstfrauenduo, die Komponistin Olga Neuwirth und die Schriftstellerin Elfriede Jelinek, haben dieses seltsam schillernde, soghafte Fertiggericht aus der Zelluloid-Tiefkühltruhe nun zusammen mit dem choreografierenden Regisseur Joachim Schlömer als Gemeinschaftsproduktion des Festivals Steirischer Herbst und des Theater Basel in der Grazer Helmut-List-Halle unter tosendem Applaus in eine zweite?, dritte?, vierte? Musiktheater-Wirklichkeit aus der Retorte gebeamt. Die das Werk in einen neuen Interpretationskokon verspinnt, es klug noch weiter fragmentisiert, niemals nach Wahrscheinlichkeit fragt. Und es trotzdem in bannende Bilder gießt, vorangepeitscht von einem sphärischen Soundtrack, der bisweilen fast ohrwurmartig und elektronisch verfremdet die verstärkten Stimmen und Instrumente zur grandiosen Surround-Raummusik ausweitet.
Elfriede Jelinek hat gemeinsam mit der Komponistin das sowieso schon lückenhafte Drehbuch von Lynch und Barry Gifford auf ein paar Floskeln eingedampft. Da klingeln die Handys, raunt es unendlich trostlos in zweisamer Einsamkeit, ist die Verständigung meist auf Minimalfloskeln wie "Fuck" und "Shit" zusammengeschnurrt. Ohne jede Linearität bewegt Joachim Schlömer das Personal wie schlafwandelnd durch Jens Kilians finessenreich herumklappenden Irrgarten aus toten Winkeln und plötzlichen Durchlässen.
Die aufopferungsvolle Constance Hauman in der weiblichen Doppelrolle, der furios fies im Diskant kreischende David Moss, Georg Nigl, Andrew Watts, Kai Wessel, Vincent Crowley und die anderen, sie alle sind nur flatterig gackernde Pornohühner im sinnlosen Wahrheitssuchrausch eines Balletts der Vergeblichkeit. Über Leinwände und durch Sehschlitze flimmern dazu graue Dias und grieselig gelbe Filme, Blitze zucken.

Manuel Brug

erschienen in:
Die Welt, 3.11.2003   http://diewelt.de