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Arzt ohne Grenzen
Händl Klaus' Stück «wilde» beim Steirischen Herbst


Naturkatastrophen sind Menschen-Katastrophen. Vor zwei Jahren hat Händl Klaus beim Steirischen Herbst die heisse Alpensehnsucht als Hang zum kalten Tod entlarvt, jetzt ist es die Hitze selbst, die den Menschen seines neuen Stücks aufs Gemüt schlägt. Der bahnreisende Arzt Gunter hat seinen Heimatort verfehlt, er steht in der Provinz und in einem für diesen traulichen Ort ungewohnten Dilemma: Nichts ist so, wie man es erwartet. Es ist heiss wie bei Tennessee Williams und kalt wie bei Kafka. «Die Dinge sind verschoben», sagt der Pulmologe, den dieser Umstand gewissermassen auch in eigener beruflicher Praxis verfolgt: «Ich greife immer eine Handbreit daneben.» - Da ist sie, die tödliche Verschiebung im Raum und in der Zeit, die als poetische Suspense wie weiland bei Poe Händl Klaus' Stück zur Höllenmaschine machen soll. Am Ende war Sebastian Nüblings Inszenierung aber doch nicht ungemütlich.

«wilde - der mann mit den traurigen augen» ist, gelinde gesagt, eine aufwendige und mit allerlei Zitaten verbrämte Gedankenarbeit von Händl Klaus, der früher einfach Klaus Händl hiess. Von Gregor Schneiders monumental schrägem «Haus ur» war der junge österreichische Autor, so heisst es, bei der Niederschrift des Stücks inspiriert. Wo die Räume des schon bei der Biennale zu Ehren gelangten Kunst-Hauses Welt und Wahrnehmung solide durcheinander beuteln, hat Muriel Gerstners Bühnenbild das Stück von Händl Klaus mit einem schlichten und genialen Einfall bewohnbar gemacht. Stählerne Garderobekästen sind das Universalmobiliar einer Inszenierung, die den theoretischen Höhenflug des Textes auf eingängige Bilder herunterholt. Man steigt aus den grün lackierten Kästen und verschwindet darin. Die Camouflage und das plötzliche Auftauchen der Dinge gewinnen hier einen Ort poetischer Eindeutigkeit, der dem Text selbst nicht immer gegeben ist. Die Handlung ist kurios genug. Für «Ärzte ohne Grenzen» war Gunter (Bruno Cathomas) in Moldawien. In Neumünster an der Lau landet der titelgebende «Mann mit den traurigen Augen», wo er aber doch eigentlich ins benachbarte Bleibach wollte. Apokalyptisch ist die Hitze der Provinz, geteilt ist die Rede eines ganz von Kafka geliehenen und synchron choreografierten Brüderpaares (Tim Porath, Peter Knaack), das den Dürstenden nicht laben wird. Dafür aber gibt es noch (beide ebenfalls Kafka) einen strengen Vater und eine Schwester (schön und schaurig: Simone Henn), die es ziemlich an der Lunge hat. Der Arzt führt das Messer: daneben!, doch weil man einander schon einmal so nahe gekommen ist, gibt es eine Art Bluthochzeit zwischen dem Fremden und der ohnehin schon im weissen Brautkleid auftretenden jungen Unschuld. Was am Beginn noch ein Bahnhofswartesaal war, ist am Ende ein ins Schummerlicht getauchtes Stehlampen-Idyll. Die neue Familie (Gunters leibliche Eltern sind tot, ist noch zu erfahren) sitzt beisammen. Die Zeit ist wieder synchron, es können also Fotos gemacht werden.

Hat Händl Klaus bei seinem Erstling vor zwei Jahren in einem etwas verblasenen Philosophenstück noch selbst Regie geführt, so ist in dieser Koproduktion des Steirischen Herbstes mit dem Schauspiel Hannover Sebastian Nübling mit sicherer Hand vorgegangen. Aus der wuchernden Poesie und dem theoretischen Ballast wachsen stimmige und schöne Bilder. Aus der schreienden Weltennot Händls hat Nübling die Tugend absurder Komik gemacht. Bruno Cathomas ist ein nervöser und versiert verschwitzter Arzt, eine Art Handlungsreisender des Existenziellen, der neben dem traut-fidelen, in rosafarbenen Kleidchen steckenden Brüderpaar (Tim Porath und Peter Knaack) den schicksalstypisch verknautschten Anzug trägt. Händl Klaus' vielfach entgrenztem Arzt ist Sebastian Nübling mit den passenden Massnahmen zu Leibe gerückt. Er hat nicht danebengegriffen. Keine Handbreit.

Paul Jandl

erschienen in:
Neue Zürcher Zeitung, 24.09.2003