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Musikalische Minimalismen, szenische Nullitäten
Keine Erzählungen, aber auch nicht bloß Formspiel: Bernhard Langs "Theater der Wiederholungen" in Graz uraufgeführt


Von der "Wiederholung" sagt Kierkegaard, sie sei eine so verwirrende Vorstellung, dass sie das Kausalitätsprinzip und das Fließen der Zeit in Frage stelle. Der 46jährige österreichische Komponist Bernhard Lang (aus Linz stammend) hält es freilich eher mit dem französischen Philosophen Gilles Deleuze, der, nicht ganz so elementar und einigermaßen dunkel, das "Theater der Wiederholungen" dem "Theater der Repräsentation" entgegenhält.

Jedenfalls signalisiert die Berufung auf Deleuze einen unkonventionellen, womöglich experimentellen Musiktheaterbegriff. Andererseits geht es Lang in seinem Theater der Wiederholungen betitelten, gut zweistündigen Opus magnum, das jetzt im Rahmen des Steirischen Herbstes in Graz uraufgeführt wurde, keineswegs um bloß Formspielerisches oder um Verkunstung der ewig gleichen Universalrätsel (etwa Kierkegaaards fragend gestockte Zeit), sondern ums Sich-Abarbeiten am Aktuellsten: an der wiederholsamen Gleichförmigkeit der von Gewalt durchwalteten Welt, auch gerade der amerikanisch dominierten. Aber eben: beileibe kein Transport von krud naturalistischen Inhalten, wovor sich ein avancierter Künstler heutzutage scheut wie der Teufel vorm Weihwasser. Er hat ja nicht unrecht. Angesichts inflationärer Kriegsbilder und -informationen, die, mit dem Anschein von Authentizität, doch vielfach Lügen präsentieren.

Theater der Wiederholungen besteht aus drei Teilen. Auch der Textkorpus ist gegliedert in eine französische (de Sade), eine englische (Burroughs) und eine deutsche Sektion. Diese letzte, eindrucksvollste, benutzt Akten und Zeugenaussagen aus dem Umkreis des Nürnberger Prozesses, und obwohl es auch hier keine zusammenhängende Narration gibt (Lang bevorzugt Aufspaltung in einzelne Silben, ja Laute) sind erkennbare Wörter wie "Güterzug" oder "Krematorium" hintergründig sprechend genug. Sie eröffnen riesige Assoziationsräume. Musikalisch zeigt sich das Wiederholungsprinzip fast monomanisch als Reflex auf die Repetitionsmuster der (vor allem in Amerika kreierten) minimal music, in deren Bewegungs- und Ausdruckstypen Lang nicht zu Unrecht eine implizit "affirmative" Haltung am Werke zieht (das ist wohl auch ihr von der Popkultur übernommenes Erfolgsrezept).

Jeglicher Bund mit dem Kulinarischen wird von Lang perhorresziert. So erlegt er sich die Atlaslast auf, das minimal-music-Potential konsequent einzuschwärzen. Ein Akt der "bestimmten Negation", der insofern auch problematisch bleibt, als er als Gegenposition überdeutlich auf das ästhetische "Feindbild" bezogen bleibt. Auch für den dritten Teil übernimmt Lang ein kleingliedriges Webmuster, bei dem sich die einzelnen "patterns" nach etwa drei- bis achtmaliger Repetition "verbraucht" zeigen und durch andere ersetzt werden. Doch Erfindung und Verknüpfung lassen hier (mehr als im de-Sade-Abschnitt) eine beträchtliche Verfinsterungs-Energie erkennen. Im mittleren Burroughs-Part löst sich die minimalistische Starre ein wenig durch Einbezug rockmusikalischer Steigerungssequenzen.

So innovativ sich die musikalische Sphäre auch darstellt, so fragwürdig bleibt doch der theatralische Aspekt des neuen Werkes. Übersetzung durch naturalistische Handlungen auf der Bühne verbot sich; multimediale Effekthaschereien wurden ebenfalls vermieden. Demnach Beschränkung auf ein "instrumentales Theater" der professionellen Musiker des Klangforums Wien, des favorisiert beteiligten Vokalsolistensextetts (Anna Maria Pammer, Jenny Renate Wicke, David Cordier, Martin Wölfel, Ekkehard Abele, Alfred Werner - je zwei Soprane, Countertenöre, Bässe) und des Kammerchores "le jeunes solistes"? So karg und streng wollte man's auch wieder nicht. Also wurde ein szenographischer Experte (Xavier Le Roy) herangezogen, dessen Beisteuerungen aber eher nach einer Theatermaxime à la "des Kaisers neue Kleider" fungierten. Nulltheater mit den zu verlegenen, hilflosen Statisten im Wortsinn an die Peripherie der optischen Aufmerksamkeit gedrückten musikalischen Akteuren, die im Mittelteil an den Seiten turnerisch ein wenig zu Gange waren. Ihre ansonsten die Musikhervorbringung überschreitenden Andeutungen waren allenfalls entbehrlich; als Abweichung von der Norm hätten die aparten lila Hemden respektive Blusen und Goldblondperücken (Kostüme: Christine Rebet) ausgereicht. Zum lebendigsten und gelinde witzigen theatralischen Element gedieh die Duplizierung und "Wiederholung" des (in gewohnter Zuverlässigkeit amtierenden) Dirigenten Johannes Kalitzke durch einen Pantomimen, der, gleichsam als gelehriger Affe, auf einen Monitor starrte und alle animierenden Gesten des (am Schluss spiegelbildlich postierten) eigentlichen musikalischen Leiters säuberlich imitierte - eine Demonstration, die sich gewissermaßen aus einem ganz anderen Stück (etwa von Kagel oder Schnebel) hierher verirrt zu haben schien. Die bei der Uraufführung mit Händen zu greifende theatralische Nullität des Lang'schen Theaters der Wiederholungen muss, was wünschenswerte Folgebemühungen um das Werk betrifft, nicht das letzte Wort bleiben. Die nicht zu leugnende hermetische Komponente der Konzeption ist wohl aber auch manifest erschwerend für eine denkbare rigorosere szenische "Übersetzung".

Hans-Klaus Jungheinrich

erschienen in:
Frankfurter Rundschau, 07. 10. 2003