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Auf unsicherem Terrain
Ein Gespräch mit Peter Oswald, dem Intendanten des Festivals "steirisc[:her:]bst", das heute in Graz eröffnet wird


Der "steirische herbst" gehört mit seinen 35 Jahren zu den dienstältesten Festivals für zeitgenössische Kunst in Österreich. Im Jahr 2000 übernahm der Vorarlberger Peter Oswald die Geschicke des Mehrspartenfestivals, das seit einigen Aufregern in den 70ern und 80ern unfreiwillig als Skandalfestival punziert ist. So sehr, dass das steirische Publikum jene herbst-Jahre als enttäuschend empfindet, in denen es nichts zum Aufregen gibt, das heißt keine Klomuscheln auf Plakaten, keine bloßen Hintern, keine lästerlichen Theateraufführungen, keine Nebelhörner, die vom Schlossberg dröhnen.
Auch dieses Jahr wird das Publikum aller Voraussicht nach enttäuscht werden. Das Programm, das Peter Oswald zusammengestellt hat, legt den Schwerpunkt aufs zeitgenössische Musiktheater - ein Bereich, der nicht gerade prädestiniert ist, Massen vor den Kopf zu stoßen.

Noch dazu geht der steirische herbst sowohl ästhetisch als auch in seinen künstlerisch-politischen Ansätzen in die Tiefen statt an der kontroversiellen Oberfläche zu bleiben. Man wird sehen, wie das Grazer Publikum, das im Jahr der europäischen Kulturhauptstadt mehr mit Marketing verführt als mit diffizilen Produktionen gefordert wurde, dies aufnimmt.
Dennoch muss das Ganze kein Publikumsflop werden: Als Kurator der Reihe "Ikonen des 20. Jahrhunderts" im Rahmen von "2003-Kulturhauptstadt Europas" hat Peter Oswald jedenfalls bewiesen, dass man auch mit anspruchsvollen Stücken das Publikum zu Begeisterungsstürmen hinreißen kann. Die "Wiener Zeitung" sprach mit dem Intendanten des Festivals "steirisc[:her:]bst" - in dieser Schreibung erscheint das Festival auf seinem Logo - über Musiktheater, Skandale im Allgemeinen und die politische Dimension der Kunst im Besonderen.

"Wiener Zeitung": Herr Oswald, wo liegen die Highlights im Programm des steirischen herbst 2003?
Peter Oswald: Der Schwerpunkt liegt mit vier Uraufführungen im Bereich des Musiktheaters. Das ist eine schwierige, herausfordernde Form - sofern es ein Versuch ist, gesellschaftliche und politische Wirklichkeit mit den Mitteln der Literatur, der Bühne, der Musik und der Choreographie innovativ, das heißt auf eine Weise, die über herkömmliche Muster weit hinausgeht, abzubilden. Für diese radikalisierte Form des Musiktheaters gibt es noch keine Begriffe. Wir bewegen uns auf unsicherem Terrain. Doch je unsicherer das Terrain ist, desto spannender die Herausforderung.

Welche Stücke sind das?
Da ist zuerst die choreographische Installation "insideout" der Choreographin Sasha Waltz zu einer Komposition von Rebecca Saunders. Das Stück ist in zehn Räumen angesiedelt, und der Zuschauer entscheidet selbst, wann er wohin geht. Es ist schwer möglich, nach nur einem Besuch zu einem klar umrissenen Urteil zu kommen, was man eigentlich erlebt hat.

Ich wollte bei den Proben nach dem ersten Durchlauf sofort auch beim zweiten dabei sein und glaube, dass diese Produktion eine sehr starke Resonanz erfahren wird.
Im Oktober wird Bernhard Lang mit seinem "Theater der Wiederholungen" eine der radikalsten Konzeptionen von zeitgenössischem Musiktheater präsentieren. Das Stück ist die Essenz aus Langs Beschäftigung mit Gilles Deleuzes Problematik der Differenz und Wiederholung. Die Partitur verspricht eine rasend spannende Umsetzung. Als kongenialer Partner zeichnet Xavier Le Roy für Regie, Choreographie und szenische Konzeption verantwortlich.
Im November erlebt Olga Neuwirths "Lost Highway" seine Uraufführung. Das Stück basiert auf dem Film von David Lynch und widmet sich der Frage: Können wir uns auf die Wahrnehmung verlassen, wenn uns bewusst ist, wie sehr Wahrnehmung medial vermittelt ist? Das Libretto von Olga Neuwirth und Elfriede Jelinek bezieht sich vor allem auf das Buch von Barry Gifford, das David Lynch als Vorlage zum Film gedient hat. Ich freue mich unheimlich auf dieses Projekt. Olga Neuwirth ist es mit ihrer Komposition gelungen, die Herausforderung anzunehmen, die der Stoff und die filmische Vorlage dargestellt haben. "Es soll ja gefährlich sein!"
Die vierte Uraufführung ist die "Dry Clean Show", eine Modemesse von Lisa D. mit einer Komposition von Wolfgang Mitterer. Dieses Stück hinterfragt in künstlerisch sehr vielschichtiger Weise, wie globale Modeunternehmen in der Vermarktung der Produkte die Flecken ihrer Produktionsbedingungen reinwaschen.

Das Programm des steirischen herbst zeichnet sich unter Ihrer Intendanz durch eine starke politische Dimension aus - indem darin immer wieder versucht wird, gesellschaftliche Zustände mit Mitteln der zeitgenössischen Kunst zu analysieren und auch zu kritisieren. Ist es überhaupt angebracht, dass sich Kunst so sehr in die Politik einmischt, und ist das nicht genauso "gefährlich" wie der umgekehrte Vorgang, dass sich nämlich Politik allzu stark in die Kunst einmischt?
Es soll ja gefährlich sein! Um nicht die eigene Utopie im Niemandsland angesiedelt zu sehen, sollte man sich allerdings klarmachen, welche Möglichkeiten die Kunst überhaupt hat. Sie kann allenfalls die Menschen sensibilisieren. Deshalb habe ich kein Interesse daran, künstlerische Artikulationen und Manifestationen im Verhältnis 1 zu 1 politisch anzusetzen. Aber ich glaube schon, dass das gesellschaftlich-politische Sensorium ein notwendiges und unverzichtbares Ingredienz dessen ist, was wir hier tun und was auch unsere Legitimation ausmacht. Andererseits: Es kann uns auch nicht allein darum gehen, das künstlerisch Neue zu finden.

Provokation ist banal

Aber um auch den zweiten Teil der Frage zu beantworten: Wenn sich Politik in die Kunst einmischt, dann ist es meistens unerträglich. Diejenigen, die sich einmischen, sind leider nicht jene, die etwas zu sagen hätten, sondern es sind die, die reden, ohne etwas zu sagen. Ich fände es ja spannend, wenn sich seitens der Politik jemand produktiv mit Kunst auseinandersetzen würde - aber nicht aus der mittlerweile schon sehr banalisierten Logik der Provokation heraus, die in Wirklichkeit nur dem Veranstalter ein Mehr an Zulauf, ein Mehr an öffentlicher Wahrnehmung bringt.

In punkto Skandalisierung ist der steirische herbst in den letzten Jahren eher aus der öffentlichen Wahrnehmung gerückt, und das wird ihm von manchen ja auch vorgeworfen.
Ich glaube, dass es überhaupt keinen Sinn hat, öffentliche Wahrnehmung über jene Form der Skandalisierung zu erreichen, die leicht herstellbar ist. Das können MarketingAbteilungen international operierender Konzerne mittlerweile wesentlich besser. In sehr vielen dieser Fälle hat man es mit einer banalen Form der Aufregung zu tun.
Um ein Beispiel zu geben: Was "Gelatine" in Salzburg gemacht hat, habe ich als einen produktiven, sehr witzigen, sehr schönen Zugang zur Situation, auf die sie sich bezogen haben, empfunden. Ich wäre dankbar dafür, wenn wir bei uns ein vergleichbares Aufregungspotenzial erreichen würden, aber wir werden es nicht erreichen. Das hat damit zu tun, dass in Salzburg eben vor allem die repräsentative Kunst angesiedelt ist und es große Angst gab, dass prominente Repräsentanten empfindlich reagieren könnten. Deshalb kam dann das Kunstverbot. Auch ist es nicht übertrieben zu behaupten, dass es in Graz eine ganz andere Nonchalance gibt, eine größere Bereitschaft, sich auf wesentlich mehr einzulassen - nicht zuletzt aufgrund der vielen Jahre, in denen es den steirischen herbst gegeben schon gibt.
Wenn ich mir jene Produktionen des steirischen herbst vergegenwärtige, die Skandale verursacht haben, dann muss man ganz klar sagen: Vier von den fünf großen Skandalen wären heute, im Jahr 2003, überhaupt keine Provokation mehr. Der Level, auf dem ich den großen Aufreger erreiche, ist ein ganz anderer geworden. Und man braucht auch auf der politischen, der kirchlichen und der medialen Seite jene Marketing-Mittelsmänner, die bereit sind, die Aufregung entsprechend mitzutragen. Würden wir heute solche altbackenen Wege der Provokation beschreiten, würden wir uns total lächerlich machen.

Der steirische herbst ist so etwas wie eine alte Tante unter den österreichischen Festivals . . .
. . . da gibt's viel ältere Tanten wie etwa die Salzburger Festspiele, auch die Bregenzer Festspiele sind etwas älter . . .

. . . unter den Festivals für zeitgenössische Kunst. Wie lautet vor diesem Hintergrund die Selbsteinschätzung anno 2003?
Jede Intendanz, jedes Team muss die Selbsteinschätzung neu definieren, sonst läuft man Gefahr, wirklich eine alte Tante zu werden. Auf der anderen Seite bedeutet der Umstand, dass ein Festival neu ist, noch gar nichts. Wir haben heute eine Festivalitis, da ist die Duftmarke Festival allein viel zu wenig, um Publikum anzulocken.
Unsere Selbsteinschätzung lautet: wir sind sehr jung, und dass erfinden uns permanent neu. Nach jedem herbst versuchen wir, eine möglichst unerbittliche Selbstkritik zu üben. Die Gesamtkonstellation ist zweifellos viel, viel schwieriger geworden als in frühen Jahren des Festivals, weil es nicht mehr genügt, alles abzubilden, was nur irgendwie neu ist. Das ist aber andererseits auch ein Glück, denn das schärft den Blick für das, was bei vergleichbaren Mehrspartenfestivals passiert, und zwingt zu einer erhöhten Reflexion.
Der steirische herbst hat sich ursprünglich mit der Avantgarde auseinandergesetzt. Im weitesten Sinn setzt er sich auch heute noch mit derselben Thematik auseinander. Aber sehr viele gesellschaftspolitische Implikationen des Avantgardebegriffs sind uns abhanden gekommen - im Verhältnis zwischen künstlerischer Produktion auf der einen und gesellschaftlicher Situation auf der anderen Seite. Beispielsweise ist uns das Modell der Überführung von Kunst in Lebenspraxis verloren gegangen. Zwar gibt's heutzutage äußerlich ähnliche Modelle, aber da steckt kein transformatorischer Akt mehr dahinter, der zu einer neuen gesellschaftlichen Praxis führen könnte.

Die Lücke, die hier entstanden ist, wird in der Regel mit Marketing gefüllt. Motto: Es ist egal, was Kunst bewirkt, aber wir machen Werbung dafür. So locken wir Publikum an, so steigen die Nächtigungszahlen, und das legitimiert uns als Festival. Wie sehen Sie diesen Aspekt?
Viele Menschen aus dem In- und Ausland besuchen unsere Produktionen. Marketing kann nur die Funktion haben, die Menschen auf die Inhalte zu lenken. Aber ich kann es nicht als Programmteil sehen. Marketing ist ausschließlich das Vehikel der Transformation des Programms in die Köpfe und Herzen der Menschen.

Werner Schandor

erschienen in:
Wiener Zeitung, 19.09.2003