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Begebenheiten an den Toren der Hölle
Als Auftragswerk des steirischen herbstes wird am kommenden Samstag in der Grazer Helmut-List-Halle Bernhard Langs "Theater der Wiederholungen" uraufgeführt. Dieses "Musiktheater in drei Erzählungen" ist eine Koproduktion mit der Opéra National de Paris.


Willkommen bei Adobe GoLive 4 Graz - Paul Valérys Worte über den französischen Symbolisten Joris Karl Huysmans, dass dieser "erpicht war auf ausgefallene Begebenheiten und Geschichten, wie man sie an den Toren der Hölle erzählen könnte", kann auch als Schlüsselsatz zu Bernhard Langs Theater der Wiederholungen stehen.

Nicht umsonst zitiert eine zentrale Szene dieses Werkes jene Stelle aus dem Roman Là-bas von Huysmans, in der dieser auf subtile Weise die Martern schildert, denen der Kopf Jesu Christi ausgesetzt war. Die drei vorangehenden und die drei folgenden Szenen hat Bernhard Lang der fundamentalen Philosophie des Lasters entnommen, wie sie Marquis de Sade in seinen 120 Tagen von Sodom vorlegt.

Die penible Sorgfalt, derer sich sowohl de Sade als auch Huysmans bei der Darstellung des enthemmten menschlichen Bestialitätspotenzials befleißigen, verstärkt Lang durch eine spiegelsymmetrische Reihung der sieben Szenen: Der programmatische chorische Einzug in das Schloss der Misshandlungen zu Beginn korrespondiert mit dem Auszug am Schluss, der die vollzogenen Tötungen protokolliert, das folgende in einem Bass-Solo vorgetragene "Lob der zynischen Vernunft" mit einem solchen in der sechsten Szene. Und die in der dritten gegebene Aufzählung der Foltern spiegelt sich in der vorletzten.

Diese sieben Szenen stellen jedoch nur den ersten von den drei Akten des Werkes. Die beiden folgenden Abschnitte entsprechen dem ersten nicht nur im formalen Aufbau, sie erzählen auch die gleiche Geschichte, wenn auch nicht dieselbe. Der zweite Akt basiert auf dem Roman The Place of Dead Roads von William S. Burroughs und schildert die Visionen von der Emigration des Menschen in den Weltraum und den Einbruch der Gewalt in diese erträumte bessere Welt. Die Protokolle des Nürnberger Prozesses bilden die Textgrundlage für den Schlussakt, in dessen vierter Szene - ähnlich wie im ersten Akt das Huysmans-Zitat in die De-Sade-Texte - ein Abschnitt aus Jakob Böhmes Naturphilosophie als Kontrast und gleichzeitig doch auch als Entsprechung figuriert.



Enigmatische Titel

Mit dieser symmetrischen und doch auch wieder kaleidoskopischen Textarchitektur verlagert der 46-jährige Linzer seine musikalischen Gestaltungsprinzipien in den Theaterraum. Tragen doch mehrere seiner Werke den enigmatischen Titel DW, dem dann nur noch eine lapidare Zählzahl angefügt ist.

Bei diesen kürzelhaften Überschriften handelt es sich um die Anfangsbuchstaben der Wörter "Differenz" und "Wiederholung". Jener beiden Begriffe, denen Lang kompositorisch seit längerem auf den Grund zu gehen versucht.

Schon die Computerphysik hat die Hypothese, dass es keine in allen ihren Vorgängen idente Wiederholung eines Vorganges geben kann, zur These gemacht: Jagt man nämlich das einfache Rechenbeispiel "1 + 1" nur in hinreichend häufigen Loops durch die Maschine, so entspricht das Ergebnis irgendwann dann nicht mehr so ganz genau dem erwarteten, sondern weicht von diesem, wenn auch nur geringfügig, ab.

Diese Unschärfen sind es, denen Bernhard Langs kompositorische Forschungstätigkeit gilt. Und was man durch seine Klänge erfährt, ist die Weisheit, dass aus Gleichem nie ein Selbes wird. Auch die klar formulierten, seine Grazer Kompositionsstudien bei Andrzej Dobrowolski, einem Weggefährten von Lutoslawski und Penderecki, nicht verleugnenden Klangmodule, die er in seinem Theater der Wiederholungen zu rotierenden Repetitionsketten reiht, sind Belege von Langs ästhetischer Überzeugung.

Im Hinblick auf Langs Beschäftigung mit Gottfried Wilhelm Leibniz könnte man diese immer wieder wechselnden Grundelemente auch tönende Monaden nennen - oder ganz konservativ freilich auch Themen, die durch dauernde Wiederholung letztlich doch auch zu Variationen werden.

Auf alle Fälle bewegt sich Lang mit dieser Technik ziemlich einzelgängerisch auf einem Terrain, das von der gängigen Musikästhetik eher mit Argwohn betrachtet wird. Entspricht doch die einfache Wiederholung heute nicht der kompositorischen Etikette.



Das Unterbewusste

Andererseits sollte man Lang nicht allzu sehr auf diese satztechnische Monadologie festlegen, handelt es sich bei ihm insgesamt doch um ei- nen kompositorischen Borderliner, der gerne zwischen kontrastierenden Bereichen pendelt. Immer wieder treten aus dem "Erinnerungskalk" - wie er sein ästhetisch Unterbewusstes bezeichnet - Elemente zutage, die plötzlich neue Wichtigkeit erhalten.

Seine Studien der Jazzharmonik bei Dieter Glawischnig haben ihn für Jazz, Rock und Improvisation geschärft, ebenso wie er sich an der Grazer Musikhochschule auch den Umgang mit der Elektronik angeeignet hat. In allen Bereichen dominiert jedoch ein unübersehbares Element der Mobilität. Letztere motivierte ihn auch zu jenem Versuch, mit seinem Theater der Wiederholungen so etwas wie einen musiktheatralischen Quantensprung zu versuchen. Nämlich insofern, als das kompositorische Schaffensprinzip nicht nur auf die Strukturierung des Textes übergreift, sondern auch auf die Vorgänge auf der Bühne und sogar auch auf die Weise, auf die sich diese vollziehen. Daher ist für das szenische Konzept nicht wie sonst üblich ein Regisseur zuständig, sondern zu Langs freudiger Zufriedenheit der französische Choreograf Xavier Le Roi.

Und da für Lang Wiederholung des Gleichen nicht dasselbe zeitigen muss, wird sich im 2. Akt anstelle des Klangforums eine Rockband um das Musikambiente der Burroughs-Passagen kümmern.

Peter Vujica

erschienen in:
Der Standard, 30.09.2003