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Pandämonium der Identitäten
Uraufführung von "Lost Highway" beim Steirischen Herbst in Graz


What the fuck? What's going on?" - Nach fast eineinhalb Stunden artikuliert Mr. Eddy jene Verwir rung, an die sich das Publikum schon fast gewöhnt hat. Wenig später erhält zumindest er Gewissheit: Die Kehle wird ihm durchgeschnitten. Und weil er so laut und lang röchelt, bekommt er den Gnadenschuss - genauer: zwei Gnadenschüsse.
Doppelt hält besser. Denn Mr. Eddy ist auch Dick Laurent. Und mit dessen Todesmeldung hatte der Abend begonnen.
Ineinander verschachtelte Zeitschleifen, ein Pandämonium aus verdoppelten, verschobenen, verlorenen Identitäten, durchzogen mit tödlichen Leidenschaften: Es ist die verstört-verstörende Welt des David Lynch, die Olga Neuwirth mit ihrem neuen Musiktheater auf die Opernbühne hievt.
Gemeinsam mit Elfriede Jelinek hat die Komponistin (und Filmexpertin) im Auftrag des Festivals Steirischer Herbst das Drehbuch von Lynch und Barry Gifford zu "Lost Highway" (1997) zum Libretto umgeformt, um die Thematik mit musikalischen Mitteln zu vertiefen: die Irrealität der nur durch Manipulation überhaupt wahrnehmbaren und somit nur scheinbaren Realität(en).
Mit leisem Elektronik-Klang beginnt der Alptraum des Protagonisten Fred (Vincent Crowly): Die ihm und seiner Frau Renee (Constance Hauman) anonym zugesandten Videos zeigen ihr Sexleben - und schließlich gar den Mord an Renee, begangen von Fred.
Realität oder Fiktion? Verhaftet und zum Tod verurteilt, wird Fred plötzlich zu Pete (Georg Nigl), der frei kommt, sich aber nicht mehr zurecht findet und an Alice gerät. Für diese transformierte Renee, die Geliebte von Mr. Eddy (David Moss), begeht er einen Mord. Als sie ihn verlässt, findet sich Pete als Fred wieder. Renee hat ein Verhältnis mit Eddy, den Fred darauf hin tötet: "Dick Laurent is dead."
Wer soll noch Mitleid haben mit Mozart, Verdi, Strauss, deren Bühnenanweisungen ignoriert werden, wenn sich auch eine lebende Komponistin nicht gegen ihren zeitgenössischen Regisseur durchsetzen kann? br> Die medial kolportierte Unzufriedenheit mit der szenischen Umsetzung ihrer zweiten Oper hatte in den letzten Tagen Aufsehen erregt und mit einer Art innerer Emigration Olga Neuwirths geendet - sie solle nicht aus der Rolle fallen, ließ Joachim Schlömer sie wissen. In der Tat musste man kein kleinlich dem Buchstaben nachtrauernder Purist sein, wenn man Schlömers Inszenierung problematisch fand: Das ließ sich am deutlichsten an der Figur des Mystery Man (Andrew Watts) ablesen, der zwar wie gefordert als scheinbar übernatürlicher Außenseiter ins Geschehen verwoben war, dessen zentrale Rolle als scheinbar unbestechliches, aber gnadenlos manipulierendes "Auge" (mit in der Partitur verlangten Video-Projektionen) dagegen fast völlig ignoriert wurde.
Im Einheitsbühnenbau (Jens Kilian), einem schwarzwandigen Haus in schrägem Durchschnitt, können alle filmischen Schnitte durch Licht (David Finn) und eine Wand praktikabel ausgeführt werden - nur tut sich szenisch selten etwas, das die Vorgänge im Vergleich mit dem Libretto deutlicher oder wenigstens mit schlüssigeren Bildern verrätselter gemacht hätte.
Der Verdacht drängt sich auf, hier habe einer mit unbekümmerter Ignoranz anstehende Probleme einfach negiert, statt wenigstens mit Anstand an ihnen zu scheitern. Am ehesten noch befriedigten (allerdings über Gebühr strapazierte) Ideen wie jene flachen Wägelchen, auf denen die Darsteller unter dem Fußboden hervor an die Rampe und wieder zurück rollen - wie Leichen im Kühlhaus, oder die gestisch zu siamesischen Zwillingen verschlungenen Cops (Grayson Millwood, Rodolfo Seas-Araya), die den versierten Choreografen erahnen lassen. Immerhin hat Schlömer ein homogenes, kompaktes Schauspiel-Ensemble geformt - sängerisch erlaubt Neuwirth ihren Protagonisten nämlich kaum Profilierung.
Einzig der Eddy/Laurent von David Moss, als Orlofsky in Neuenfels' Salzburger Skandal-"Fledermaus" in Erinnerung, darf in zwei "Arien" stimmliche Virtuosität zeigen. Die anderen haben ihre Rollen primär szenisch, über gesprochenen, gesungenen Text zu definieren. Blieb also die Musik.
Die zeigte Neuwirth, wenn auch in der Wirkung nicht ganz so stark wie bei "Bählamms Fest" (Wiener Festwochen 1999), auf der Höhe ihrer Kunst: Das fulminante Klangforum Wien unter der souveränen Leitung Johannes Kalitzkes ließ amorphe Gestalten ineinander fließen, steuerte kommentierend verfremdete Zitate aus Jazz, Film-, U-Musik bei, reflektierte die Bühnenaktion mit Blubbern, Schluckauf, Liegeklängen als Ambient Sound - manchmal nicht weit entfernt von Horror, manchmal verlorene Unschuld beschwörend. Auch in "Lost Higway" kommt bei Neuwirth eine faszinierende Multivalenz zum Tragen: 100 intensive Minuten.

Walter Weidringer

erschienen in:
Die Presse, 3.11.2003   http://www.diepresse.com