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Kammerflimmern in der Schachtel
Rauschenden Mahlstrom aus Bildern, Szenen und Anekdoten: "insideout" der deutschen Choreografin Sasha Waltz


Graz - Es ist eine richtig große Installation aus Kammern, Kojen und Containern, die von der deutschen Choreografin Sasha Waltz, um einen kleinen Platz gruppiert, in die Grazer Helmut-List-Halle gebaut wurde. Die Kabinette der Künstlerin sind durchlässig, transparent oder geschlossen konstruiert und für Tänzer und Publikum gleichermaßen nutzbar. Im Titel ihres neuesten Stücks insideout, uraufgeführt vom steirischen herbst, scheint eine architektonische Basisfigur zu stecken, die zugleich auch als Grundmodell für ihre Choreografie dient.

Doch um die strukturelle Beziehung zwischen Architektur und Performance geht es Waltz, in Berlin Koleiterin der Schaubühne am Lehniner Platz leitet, nur mittelbar. In erster Linie ist insideout als konzentrierte Studie eines ganz besonderen Soziotops, dem ihrer Company, angelegt: als Untersuchung der Lebensgeschichten von 19 Tänzern aus Argentinien und Venezuela, Kanada und Neuseeland, China und Japan, Schweden, Spanien und der Schweiz.

Ein solches Soziotop verspricht reizvollen Rohstoff: "authentisches" Ansichtsmaterial über die humane Existenz. Nicht nur Waltz hat Tagbau betrieben, sondern parallel dazu auch der Grazer Historiker Karl Stocker, der aus Interviews mit Company-Mitgliedern eine locker-flockig gehaltene Studie über Tänzer gestaltet hat: insideout, das Buch (Springer Verlag). Von Stocker kam auch der Anstoß für das Stück. Er hatte eine Verfilmung von Waltz' Allee der Kosmonauten (1996) gesehen. Das erkennbare Interesse der Choreografin für soziale Belange faszinierte den Wissenschafter. Die beiden entschieden sich für eine dialogische Doppelaktion.

Waltz formuliert die Lebensgeschichten in kleinen choreografischen Einheiten und verstreut diese auf einem weiten Feld, das von den Maximen Kultur ("Woher bin ich?") und Identität ("Wer bin ich?") bestimmt wird. Wie Ausstellungsbesucher streifen die Zuschauer durch die Installation, die das weite Feld extrem verdichtet.

Sie geraten in einen Mahlstrom aus gesprochenen und getanzten Erzählungen, Bildteilen, Posen und Doku-Trümmern. Die Tänzer huschen, schleichen und wirbeln durchs Publikum. Das hat sich selbst genauso im Blick wie die Darsteller. Videobilder flimmern, man steigt Stiegen hinauf und hinunter, weicht Schiebewänden aus, verharrt vor Vitrinen, in welchen sich Körper winden.

So entsteht zur zuweilen etwas unauffälligen Livemusik von Rebecca Saunders ein großes, buntes Spektakel: unzählige Einfälle, Aktivitäten und Kostüme, Geschichten und Szenen, eine Unmasse von Parallelaktionen, schön einzeln in den Kojen arrangiert und dramaturgisch lose miteinander vernetzt. Doch die Qualität der Bilder selbst - ihre geringe Tiefenschärfe, ihre Zerstreutheit, die Hast, mit der sie aufgebaut werden - lassen das aufgeregte Remmi-demmi bald schal werden.

Waltz betreibt den Umbau der Theater-Black-Box in einen Performance-Black-Cube mit Begeisterung. Ebenso bringt sie jeden Zuschauer dazu, sich durch individuelles Entdecken sein eigenes Stück zusammenzustellen. Doch unter der Karosserie knattert ein schwacher Motor: Die Eins-zu-eins-Umsetzung von Storys, Anekdoten und Assoziationen aus einer verbalen Grundsubstanz in eine Bewegungsperformance ist eine alte Schwäche des Tanztheaters.

Im Vergleich zu Meg Stuarts Neudefinition von Theaterhaftigkeit in der Tanzperformance wirkt insideout, als wäre es im Entwurf stecken geblieben. Die Art, wie Waltz ihr Publikum mitchoreografiert, erscheint neben William Forsythes wesentlich konsequenteren Arbeiten schlicht veraltet. Und vor dem Hintergrund von Jérôme Bels smarter Analyse der Repräsentation von Identität auf der Bühne nimmt sich insideout naiv aus.

Helmut Ploebst

erschienen in:
Der Standard, 20./21.9.2003