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  Der "herbst" als Wille und Vorstellung
Die List-Halle, deren Bau "herbst"-Intendant Peter Oswald mit zäher Energie betrieben hatte, ist zu seinem Denkmal und Grabstein geworden.
Morgen beginnt der letzte steirische herbst unter Oswalds Leitung.


Graz – Peter Oswald kann's nicht lassen. Immerhin auch schon 51 Jahre, aber von Weisheit keine Spur. Vor allem, wenn es um die Musik geht und erst recht ums Musiktheater. So ist, wie nicht anders zu erwarten, das dominierende Projekt seines Abschied- "herbstes" – er findet ein Jahr früher statt als geplant – ebenfalls wieder eine Oper.
Mit erfolgreichen Uraufführungen musikdramatischer Werke etwa von Olga Neuwirth und Bernhard Lang hat er ja schon in den vergangenen Jahren dem steirischen herbst wieder verstärkt zu internationaler Kenntnisnahme verholfen. Für seinen Schwanengesang ist ihm sogar die von ihm initiierte List-Halle nicht geräumig genug. Für Peter Ablingers Stadtoper reicht gerade ganz Graz, wo zwischen dem 1. und 23. Oktober an allen möglichen Orten der Stadt Musiktheater stattfinden soll.
Gut möglich, dass Oswald heuer ganz bewusst um seine List-Halle einen Bogen macht. Ist doch dieser Kulturbau, den Graz seit Jahrzehnten dringend nötig hatte, der eigentliche Grund seines verfrühten Rückzugs. Sicher, er war es, der den Bau der List-Halle unter Einsatz aller Überredungskünste betrieben hat. Doch den Mietvertrag, der den "herbst" ab Jahresende 2003 budgetär ins Trudeln brachte, hat nicht er unterzeichnet, sondern sämtliche Mitglieder des für das Festival damals zuständigen politischen Gremiums, genannt Präsidium.
Es kam dann, wie Wilhelm Busch reimte: "Doch wenn dann die Folgen kommen, fühlet man sich angstbeklommen." Ausbaden musste das Ganze der Intendant. Heute staunt er selbst, wie protestlos er sich in die Rolle des fahrlässigen Bösewichts hineinmanövrieren ließ oder durch eine für ihn und an ihm ungewohnte Lethargie auch selbst hineinmanövrierte. Den Druck wurde er nicht mehr los.
Wie in solchen Situationen üblich, versucht man es zunächst einmal mit einem Tapetenwechsel. Also unternahm er im Jänner 2004 eine Winterreise nach Kuba. Dort sah er, wie leicht und unbeschwert die Menschen, selbst arme Teufel, singen und tanzen können. Diese Leichtigkeit wollte er auch für sich selber zurückgewinnen – und gab bei seiner Rückkehr bekannt, dass er aufhört.
Auch jetzt noch hält er seine Entscheidung für richtig. Er wäre diese ganze List-Hallengeschichte einfach nicht mehr losgeworden. Er hätte sich stets, wenn schon nicht schuldig, so doch befangen gefühlt und bis zum regulären Ende seiner "herbst"-Tage an einem chronisch gekürzten Budget zu würgen gehabt, was man seiner Nachfolgerin, Veronica Kaup-Hasler, natürlich nicht zuzumuten wagte. Wenn sie ihn danach fragte, was es vor allem bei der Leitung und Programmierung des steirischen herbstes zu beachten gilt, was würde er antworten?
Oswald: "Ich würde sagen, man muss die steirische Kunstszene ganz genau observieren, ohne sich zu verklüngeln. Sehr wichtig ist auch, dass man gegenüber aus einer gewissen Routine entstehenden Begehrlichkeiten die nötige Standfestigkeit entwickelt. Der ,herbst‘ ist kein Apparat, der Subventionen verteilt."
In dieser Hinsicht weiß Oswald vor allem auch heuer, wovon er spricht. Mit einem seit zwei Jahren von 2 auf 1,2 Millionen Euro zusammengestrichenen Programmbudget kann man keine weiten Sprünge machen. So steht das Forum Stadtpark heuer finanziell auf eigenen Beinen. Und auch gegenüber dem Schauspiel musste Oswald heuer passen. Was ihn besonders schmerzt, weil er gerade in diesem Bereich noch einer Reihe von Autoren gerne weitere Möglichkeiten zur Präsentation vermittelt hätte.
Alle Macht der Musik Doch dies ist nur ein Teil seines Programms, das Wille blieb und nicht Vorstellung werden durfte. Vor allem auf musikalischem Gebiet ist im Grazer Kulturhauptstadtjahr etwas in Gang gekommen, dessen vom Budget diktierter Stopp ihn ganz besonders schmerzt. Und dies natürlich in der List-Halle.
Dort nämlich hatte er unter dem Titel Ikonen einen Konzertzyklus begonnen, in dessen Verlauf Dirigenten von Rang moderne Werke aufführten. Unvergesslich bleibt ihm die Aufführung von CerhasSpiegel unter der Leitung von Valery Gergiev. Als nach Schluss des Werkes fast 1000 Menschen von ihren Sitzen hochsprangen und jubelten, war für ihn wieder einmal bewiesen: Es kommt nur auf die Vermittlung an, um die Neue Musik zum Erfolg zu führen. Mitunter bedarf es dazu eben eines Kapazunders am Pult.
Und was jetzt, nach dem letzten "herbst"? Vier Wochen keinen Alk. Und dann mit aller Obsession, die Oswald für jegliche künstlerische Arbeit für unerlässlich hält, hinein in die Arbeit für sein CD-Label Kairos, für das er heuer den Preis der deutschen Schallplattenkritik erhält. DER STANDARD, Printausgabe, 28.09.2005

Peter Vujica

erschienen in:
DER STANDARD, Printausgabe, 28.09.2005