steirischer herbst 2004
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Gelegenheit und Reue
Kuratorin      Eva Maria Stadler
Ort   Grazer Kunstverein
Eröffnung    9. 10. 2004, 11 Uhr
Dauer   10. 10. - 21. 11. 2004
Di - Fr 11 - 19 Uhr, Sa, So 11 - 15 Uhr 
Koproduktion    steirischer herbst mit Grazer Kunstverein


Für die Griechen des Goldenen Zeitalters war die Zeit eine Reihe günstiger Augenblicke – und als solche konnte sie in der Gestalt des Gottes Kairos dargestellt werden. In den seltenen allegorischen Darstellungen von Gelegenheit und Reue spiegelt sich die Fehde zwischen der andauernden und stabilen Zeit-Tempus und der flüchtigen, ja fliegenden Gelegenheit-Occasio wider. Der ferraresische Maler Girolamo da Carpi wählte dieses Thema für seine Darstellung von „Gelegenheit und Reue“, die in die Mitte des 16. Jahrhunderts datiert wird, und sich heute in der Gemäldegalerie in Dresden befindet. Dieses Gemälde bildet den Ausgangspunkt für die Ausstellung Gelegenheit und Reue. In der allegorischen Darstellung da Carpis sehen wir einen jungen strahlenden Kairos mit den Zehenspitzen auf einer Kugel stehend, an seinen Füßen befinden sich Flügel und in der Hand hält er ein scharfes Messer. Halb aus dem Bild gewandt die Reue, umhüllt, sie ist es, die zurückbleibt. In Bezug auf die diesjährige Themenstellung des steirischen herbst „... Krise ist immer ...“ beschäftigt sich der Grazer Kunstverein mit der Frage nach Möglichkeiten von Transformation und Widerstand innerhalb einer sich stets verändernden Gesellschaft, in der die Gelegenheit als Tugend gilt, sie zu ergreifen oberstes Gebot darstellt.
Aus dem Blickwinkel der zeitgenössischen Kunst geht es um das Schema der Möglichkeit, als eine Potenz-zu-sein, in sie eingeschlossen ist nach Aristoteles die Potenz-nicht-zu-sein. Nur diejenige Potenz, die zu Potenz und Impotenz gleichermaßen fähig ist, ist höchste Potenz. Mit Bartleby, jenem Schreiber, der nicht einfach aufhört zu schreiben, sondern der„lieber nicht“ schreibt, wird deutlich, dass nicht die Verweigerung das Instrument bildet, mit dem der Krise begegnet wird, vielmehr ist es eine Produktion von „Nicht im Akt sein“, und damit eine Potenz, die ihre eigene Potenz zum Gegenstand hat, wie es Giorgio Agamben ausdrückt.

KünstlerInnen Francis Alys (B/Mex), Uwe Henneken (D),
Kerstin Kartscher (D), Marcin Maciejowski (PL), Kirsten Pieroth (D), Ulrike Ottinger (D), Hans Weigand (A) u.a.