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Thomas Laue und Wolfgang Reiter über (wilde)
 

Sommer. Glühende Hitze, flirrende Luft überall. Es ist zu heiß, selbst für diese Jahreszeit. Gunter ist unterwegs. Als „Arzt ohne Grenzen“ im überfüllten Zug auf der Rückreise vom Einsatz im Krisengebiet nach Hause ins heimatliche Bleibach. Unbändiger Durst lassen ihn auf halber Strecke einen Zwischenstopp einlegen. Luft, endlich! Vielleicht auch etwas zu trinken und dann wieder hinein in den nächsten Zug. So war es gedacht. Doch da tauchen plötzlich Emil und Hanno auf, ein eigenartig höfliches, aber unberechenbares Brüderpaar erklären dem verdutzten Gunter, dass alle BewohnerInnen auf Urlaub seien, laden ihn ein, die Nacht bei ihnen zu verbringen und begleiten ihn durch die beklemmend leere Stadt, deren zivilisatorisches Gleichgewicht sich im Laufe des Stückes immer mehr verschiebt: von friedlicher Idylle zu gewalttätiger Monstrosität, von komischer Freundlichkeit hin zum blanken Horror.
Unterwegs schlagen die Brüder den einzigen Menschen, dem sie auf der Suche nach Getränken und Benzin begegnen, brutal zusammen. Gunters Verwunderung parieren Emil und Hanno mit dem aufmunternden Hinweis, dass ja keine Gefahr für den Verletzten bestehe, da er, Gunter, doch Arzt sei. Also alles in Ordnung. Alles in Ordnung? Normalität wird in Händls Stück zwar stets behauptet – verbal oder durch das Zelebrieren von Alltagsritualen – aber sie stellt sich nirgends ein: Ist das Opfer der Schlägerei nicht der Vater der beiden Brüder? Kümmern sie sich, wenig später, nicht zärtlich um ihn? Ist der Zusammengeschlagene vielleicht sogar der, der in Wahrheit die Fäden zieht in diesem Spiel? Sicherheit (wenn auch keine Normalität) scheint es nur im Hause der beiden Brüder zu geben, einer seltsam bunkerartig von der Außenwelt abgeschotteten Wohnung. Hier trifft Gunter auf Hedy, die Schwester der Brüder, die unter Berührungsangst und an der Lunge leidet. Vielleicht wartet hier eine rettende Liebe – ist sie nicht Krankenschwester, so wie er Arzt? Doch dann ist plötzlich auch Hanno verschwunden. Warum? Wohin?
Händls Sprache hält alles in Schwebe, sie sprengt die Ketten des Kausalen und spielt virtuos mit der Explosivkraft des Absurden, die uns die Welt, die Menschen und die Dinge in ihr, mit einem anderen Blick sehen lässt. Der sprachliche Filter lässt unscharf werden, was uns wahr erscheint, und lässt uns im nächsten Moment klar sehen, was wir für unmöglich halten. Der Mann mit den traurigen Augen könnte aus einem Film von Alfred Hitchcock kommen und in einem von David Lynch wieder verschwinden.
Ein Meister des Verschwindens ist auch der Autor selbst: Zwischen seinen Wohnorten in Wien, Berlin und am Bieler See in der Schweiz pendelnd, trifft man Händl Klaus meist schreibend im Nachtzug an. Für seinen Erzählband „(Legenden)“ erhielt er den Rauriser Literaturpreis und den Robert-Walser-Preis. Verschwanden in seinem ersten Theaterstück („Ich ersehne die Alpen; So entstehen die Seen“) – das beim steirischen herbst 2001 uraufgeführt wurde – die Menschen im ewigen Eis und der alles verschlingenden alpinen Natur, verschlägt es seine Figuren nun in die Stadt, in die – scheinbare – Zivilisation, in der Händl sie jedoch als „Wilde“ sieht.
Durch Händls terrain vague zwischen Witz und Melancholie, Zärtlichkeit und Brutalität, erzählerischem Übermut und erzählerischer Scheu, Realität und Irrealität führt in Graz der Regisseur Sebastian Nübling, der sich mit Inszenierungen von enormer physischer Präsenz an den Theatern in Basel, Stuttgart und Hannover einen Namen gemacht hat.