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Wolfgang Reiter über Das Theater der Wiederholungen
 

Das Theater der Wiederholungen. Ein seltsamer Titel für ein Musiktheaterstück. Man denkt vielleicht – und zu Recht – an das philosophische Werk von Gilles Deleuze. Man denkt vielleicht auch – nicht ganz zu Recht – an kompositorische Strategien der Minimal Music. Aber wovon erzählt es, dieses Stück? Und will es überhaupt etwas erzählen? Nimmt man das der Komposition zu grunde liegende Textmaterial zur Hand, das Fragmente von de Sade, Huysmans und Burroughs ebenso enthält wie Passagen aus den Protokollen der Nürnberger Prozesse und Berichten aus Konzentrationslagern, stellen sich noch weitere Assoziationen zum Begriff Wiederholung ein. Denn was Bernhard Lang in den drei Akten seines Opus magnum entwirft, könnte man im Untertitel auch eine mögliche – sich wiederholende – „Geschichte der Grausamkeit” nennen.
Die drei Erzählungen aus dem 18., 19. und 20. Jahrhundert, die das Stück gliedern, werfen einen Blick auf den europäischen Absolutismus, die Verherrlichung des Naturrechts, das Lob des Stärkeren und die Absage an jede Form des sozialen und solidarischen Denkens (I. Akt); sie berichten vom politischen Traum einer freieren und humaneren Welt, der mit der Gründung der USA Wirklichkeit werden sollte und in den 1968er-Jahren (Sex & Drugs & Rock’n’Roll) weitergeträumt wurde, aber mit der Tabuisierung der manifesten und latenten Gewalt des „Empire” immer wieder in Frage gestellt wird (II. Akt); und sie enden (im III. Akt) mit der Rückkehr zum Ausgangspunkt, nach Europa, in jene Zeiten, als der alte Kontinent wieder in seinen Alpträumen versunken war, aus denen er neuerlich von seinem real gewordenen Traum errettet werden musste: Von den Vereinigten Staaten, die sich ihrerseits gerade wieder in die Gewaltspirale verstricken.
Die Wiederholung ist – weltgeschichtlich – natürlich kein einfacher Prozess. Das Wesentliche liegt gerade in der Differenz des sich Wiederholenden. Und dem wird Bernhard Langs Musiktheater nicht nur inhaltlich, sondern auch musikalisch gerecht. Konsequenterweise emanzipiert sich Lang daher auch kompositorisch von den Strategien des Minimalismus, der die Differenz im wiederholten Objekt reduzierte, um den subjektiven Differenzierungen der RezipientInnen Raum zu geben. Auch für Gilles Deleuze, dessen Überlegungen zur begrifflichen Verschränkung von Wiederholung und Differenz für Langs Schaffen seit 1995 bestimmend geworden ist, bedeutet Wiederholung nicht ein Einfaches, ganz im Gegenteil: Wiederholung kann Träger einer hochkomplexen inneren Differentiation im Objekt sein.
Der Komplexität des Themas, der künstlerischen Idee, die hinter dem Stück steht, widerspricht natürlich auch eine simple Narration, eine Handlung im herkömmlichen Sinne und damit auch das Prinzip der Repräsentation. Bei Langs Stück handelt es sich – wie im Titel mit Bezug auf Deleuze schon klargestellt – eben nicht um ein „théâtre de la représentation”, sondern um ein „théâtre de la répétition”. Das hat nicht zuletzt auch radikale Konsequenzen für die Inszenierung, für die der französische Choreograph Xavier LeRoy verantwortlich ist.
Mit der Uraufführung von Bernhard Langs Das Theater der Wiederholungen werden wir mit einer neuen Form des Musiktheaters konfrontiert, bei der Musik nicht nur zu hören, sondern – jenseits jeder repräsentativen Darstellung – auch zu sehen ist. Le Roys Inszenierung bemüht sich konsequenterweise nicht um Interpretation, sondern um eine adäquate szenische Unterstützung des kompositorischen Materials. Sie spürt nicht möglichen narrativen Wurzeln nach, sondern führt die musikalisch schon angelegten Bewegungen im Raum fort.
Es geht um die Choreographie wiederholter Bewegungen, nicht „tänzerischer” Bewegungen, die etwas bedeuten, etwas erzählen, sondern um eine Choreographie jener Bewegungen, die MusikerInnen und SängerInnen in Ausübung ihrer Tätigkeiten immer schon vollziehen. Diese werden zu „DarstellerInnen” indem sie ihre eigenen Rolle spielen: die Rolle der Sängerin, des Musikers, des Dirigenten. So entsteht ein Feld wiederholter Bewegungen, die auf nichts anderes verweisen, als auf die Musik selbst, in der die mögliche Geschichte der Grausamkeit aufgehoben ist und jenseits eines intellektuellen Verständnisses der (kompositorisch dekonstruierten) Texte erfahrbar wird.
Oder, um es in den Worten von Gilles Deleuze zu sagen: „Im Theater der Wiederholung erfährt man reine Kräfte, dynamische Bahnen im Raum, die unmittelbar auf den Geist einwirken und ihn direkt mit der Natur und Geschichte vereinen, eine Sprache, die noch vor den Wörtern spricht, Gesten, die noch vor den organisierten Körpern, Masken, die vor den Gesichtern, Gespenster und Phantome, die vor den Personen Gestalt annehmen – den ganzen Apparat der Wiederholung als ‘schreckliche Macht’.”